In ihrem vierten Lebensjahr - also von August 2016 bis August 2017 - war das Zusammenleben mit Liz weiterhin von vielen Höhen und Tiefen geprägt.

 

Augenscheinlich war sie fit, gesund und sprühte vor Energie. Sie war ein "Hans Dampf in allen Gassen". Andererseits war das Training mit ihr weiterhin sehr harte Arbeit. Es waren immer zwei Schritte vor und drei zurück und oft wusste ich nicht mehr weiter. Sie lernte gerne und war offen allem Neuen gegenüber, doch hatte sie nach wie vor eine sehr kurze Konzentrationsspanne. Ruhephasen musste ich regelrecht erzwingen.

 

Auf Spaziergängen war es inzwischen sehr angenehm, mit ihr unterwegs zu sein. Da ich nun ihren persönlichen Abstand, den sie zu anderen Hunden brauchte, herausgefunden hatte, konnte ich diesen meist einhalten, indem ich sie rechtzeitig abrief und an der Leine in großem Bogen an den anderen Hunden vorbei ging. Sah ich den anderen Hund nicht rechtzeitig, preschte sie nicht los, sondern bleib stehen oder kam zu mir, so dass wir ausweichen konnten. Draußen gab es auch keinerlei Reibereien mehr mit den anderen Hunden, die bei mir leben. Dies hatte ich durch konsequentes Training in sehr kleinen Schritten erreicht. Dazu war ich nicht nur mit allen Hunden gleichzeitig, sondern zusätzlich immer auch einmal am Tag mit ihr alleine draußen gewesen.

 

Zuhause dagegen hatte ich sehr große Schwierigkeiten mit ihr, und es war äußerst mühsam. Es war sehr anstrengend und vor allem frustrierend. Dazu kam, dass ich zwar eine gute Ausbildung und Weiterbildung in Sachen "Hund" genossen hatte, dennoch oft das Gefühl hatte, auf der Stelle zu treten, weil alles, was ich bis dato an Wissen aufgesaugt und angewandt hatte, nur bis zu einem bestimmten Punkt zu helfen schien.

 

Liz stand zu Hause meist unter Strom, ihre Sinne nach außen gerichtet. Lief jemand am Haus vorbei, kläffte sie. Bellte im Dorf ein Hund, kläffte sie. Räumte der Nachbar, dessen Scheunenwand an meine Hauswand  angrenzt, seine Scheune um, kläffte sie. Lief um vier Uhr morgens die Zeitungsausträgerin mit ihrem Zeitungswägelchen am Haus vorbei, kläffte sie. Dann hielt es sie auch nicht auf ihrem Ruheplatz. Zudem musste ich sie von meiner alten Indira fern halten, denn auf sie reagierte sie zunehmend aggressiv, auch wenn diese irgendwo einfach lag und schlief. Zudem versuchte sie immer wieder, im Haus an bestimmten Stellen zu urinieren.

 

Das Problem, welches sie offensichtlich mit Indira hatte, konnte ich schnell lösen, indem ich beide einfach nicht mehr zusammen ließ. Das Haus ist groß genug, dass sich beide wunderbar aus dem Weg gehen können und nicht mal treffen müssen. Hier gibt es auch mehrere Ein- und Ausgänge sowie zwei Hofzugänge.  Managementmaßnahmen entstressten alles und brachten Ruhe und Erfolg.

 

Was das Urinieren, betraf, war ich zuerst völlig ratlos. Das hatte noch nie zuvor ein Hund getan. Tierärztlich war alles untersucht; Blase und Nieren waren völlig in Ordnung. Zuerst dachte ich, dass das bei einem Hund wie Liz, der dazu neigt, seine Ressourcen zu verteidigen, möglicherweise zu diesem Themenkomplex gehören könnte. Doch dann hatte ich eine andere Idee. Was, wenn Liz schlicht und einfach unsicher wäre?  Oder war Liz einfach nur sensibel und gestresst?

 

Wieder grübelte ich und wie schon bei Indira und ihren früheren Anfällen - nachzulesen auf ihrer Seite - führte ich Tagebuch: wann, wo und in welchen Situationen ich diese Pfützen vorfand. Die Aufstellung von Fakten ist hilfreicher als das Heranziehen irgendwelcher Theorien, die dann vielleicht doch nicht zutreffen. Zeitgleich gab es in meiner Abwesenheit die "Tabuzone" Schlafzimmer, da ich dort weder ein nasses Bett, noch einen nassen Wollteppich haben wollte. Alle anderen Räume waren frei zugänglich, nachdem ich dort bis auf zwei kleinen waschbaren Baumwollläufern alle Teppiche entfernt hatte und auf jeden Sessel und aus das Sofa eine Inkontinenzunterlage unter die Decke gelegt hatte. Die Aufzeichnungen ergaben folgendes Bild:  Liz hinterließ ausschließlich eine Pfütze auf einem der waschbaren  Baumwollläufer in der Küche und auf der Decke ihres eigenen Ruheplatzes. Der Sessel blieb genauso unangetastet wie das Sofa. Dieses Pfützchen machte sie jedoch nur dann, wenn sie sehr unter Anspannung stand und diese nun einer Entspannung wich; wenn beispielsweise der Spaziergang mit zu vielen Reizen gespickt war und sie sich aus einer erhöhten Erregungslage runterfahren musste, bis sie entspannen konnte. 

 

Dieses Thema war es also, das so viele Dinge im Zusammenleben mit ihr so schwierig machten. Und dieses Thema war es auch, was uns weiter begleiten würde und an dem wir weiter arbeiten würden.