Es kennt sie jeder:

Kinder, die nicht den Mund halten können, die herausplatzen, kaum Frustration aushalten, die irgendwie ständig in Auseinandersetzungen verwickelt sind, denen sehr oft irgendwelche Missgeschicke passieren, deren Aufmerksamkeit in Bruchteilen switcht, die viele Nerven kosten - kurz, die im Umgang etwas  "anders" sind.

 

Das gibt es auch bei Hunden.

 

Ich war jahrelang meine Border Collies und Altdeutschen Hütehunde gewohnt. Erstere sehr lebhaft, aber sensibel, sehr sanft und vor allem: leise. Sie waren draußen stundenlang mit mir unterwegs und drinnen schliefen sie meist entspannt irgendwo. Zweitere ebenfalls lebhaft, etwas bellfreudiger, leider nicht ganz so sanft sondern recht körperbetont, aber dafür mit hoher Reizschwelle, was Geräusche und Trubel betraf. Auch mein Kelpie war etwas "besonders", aber sehr, sehr freundlich und sehr, sehr nett zu allen Lebewesen.

 

Dann kam "SIE".

 

Liz.

 

Ein Australian Shepherd aus Rinderarbeitslinie.

 

Rot wie eine Chillischote, ein Temperament wie ein Tornado und charakterlich irgendwie eine Mischung aus Mata Hari und Kaiser Nero. TNT auf vier Pfoten. Wo sie durchfegt, bleibt nur verbrannte Erde.

 

Ich wollte damals einen Arbeitshund für meine Ziegen - und bekam "das da". Ich begegnete offensichtlich meiner Nemesis. Ich wette, meine inzwischen "birkenblonde" Haare ("böse Zungen" nennen sie weiß) sind zum großen Teil ihr zu verdanken.

Sie fordert mich und fordert mich heraus - jeden Tag.

Sie bringt mich an meine Grenzen-und darüber hinaus.

 

Ich war Mehrhundehalterin und das war früher möglich, da ich zum Einen alle Hunde gut an der Herde auslasten konnte, zum Anderen ausgelastete Border Collies, die in engem Kontakt zu ihrem Besitzer leben dürfen, meist ausgeglichene Hunde sind. Heute geht das nicht mehr.

 

Eine Liz in mehrfacher Ausführung zu halten-das wäre schlicht unmöglich und würde vermutlich nicht nur mir nicht gelingen. Eine Liz in einer Gruppe wie früher zu halten, wäre Stress pur für alle Beteiligten. Eine Liz in einer Stadt zu halten, mit all den Reizen, würde ihre Sicherungen permanent durchknallen lassen.  Eine Liz bei einem Hundesportler der "alten Schule" zu halten, würde aus diesem Hund einen wirklich gefährlichen Hund oder einen Angstbeisser machen.

 

Zweimal musste ich Liz, seit sie bei mir ist, kurzzeitig in Pflege geben. Einmal musste  ich mich einem operativen Eingriff unterziehen und beim zweiten Mal hatte ich einen Klinikaufenthalt. Beide Male erhielt ich danach die Bitte, sie doch keinesfalls noch einmal dort in Pflege zu geben, da sie sich alles andere als vorbildlich benommen hatte. Sie war der Alptraum ihrer Pflegefamilie. Dazu gehe ich noch näher auf ihren Tagebuchseiten ein.

 

Ich hatte schlaflose Nächte, weil ich lange Zeit dachte, Liz wäre woanders als bei mir sicherlich besser aufgehoben, aber hier hat meine kleine rote Granate für mich entschieden. Ich habe versucht, passende Menschen für sie zu finden. Doch Liz ist ein Zappelhund, ein ADHS-Hund, hyperaktiv, proaktiv, reaktiv, sie  hat kaum Impulskontrolle und keinerlei Frustrationstoleranz.

 

Andererseits haben wir beide ein ganz großes Plus auf unserer Seite: Liz achtet sehr auf mich, steht sich zwar oft selbst im Weg, hält beim Üben kaum einige Minuten durch, doch  sie WILL. Sie ist bemüht, strengt sich an, WILL es gut machen. Wir sind zwei, die es gemeinsam schaffen WOLLEN.

 

Ich weiß, dass es da draußen noch mehr "Liz`" gibt. Hunde, die ihren Besitzern alles abverlangen. Hunde, die verschiedene "Baustellen" haben und Besitzer, die verzweifelt sind. Besitzer, die sich alleine gelassen fühlen, die Hilfe für sich und ihren Hund suchen, und im Dschungel der Ratschläge den Überblick verlieren und vor allem immer nur eines heraushören:

 

Du hast versagt.

Gib den Hund ab.

Das ist das beste für ihn und euch beide.

 

Ihr habt zwei Möglichkeiten.

Möglichkeit eins ist, tatsächlich alle Schuld-egal ob wirklich oder eingebildet-bei euch zu suchen und weiter zu verzweifeln.

Möglichkeit zwei ist, zu versuchen, das Beste daraus zu machen-zu versuchen,  eurem Hund zu helfen und dabei aber euren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Viele Methoden kennenzulernen und andere Meinungen anzuhören und abzuwägen, ist wichtig. Aber letztendlich muss man selbst herausfinden, was zu einem selbst passt. Respektvoller Umgang mit der Meinung anderer ist unabdingbar und lernen kann man immer von anderen Hundemenschen. Ob es dann für einen selbst letztlich ein gangbarer Weg ist, muss jeder selbst herausfinden. Andere Hundemenschen -Trainer, Hundeverhaltensberater usw können einem eine Auswahl von Methoden zeigen, wie ein Schuhverkäufer im Geschäft die verschiedenen zur Auswahl stehenden Schuhe. Anprobieren bzw ausprobieren kann man sie dann unter Anleitung.....aber die passenden Schuhe auswählen muss jeder selbst und gehen muss jeder dann ganz alleine.

 

Für die Menschen, die auch eine"Liz" zuhause haben, stelle ich hier eine Art Trainingstagebuch online. Es zeigt euch auf der einen Seite, mit welchen Schwierigkeiten ich bei diesem meinem Hund zu kämpfen habe. Es zeigt euch aber auch, wie ich versuche, unsere "Baustellen" zu bearbeiten. Manche Dinge werde ich erzählen, manchmal werde ich auch kurze Trainingsvideos einstellen. Betonen möchte ich an dieser Stelle allerdings noch einmal ausdrücklich, dass nicht alles, was bei Liz klappt, als Patentrezept für alle Hunde, die ähnlich gestrickt sind,  angesehen werden kann. Und nicht alles, was ich zeige oder ausprobiere, klappt auch so, wie ich es mir vorstelle.

 

Ein "Tagebuch" ist ein Tagebuch und kein Erfolgsprotokoll.....vor allem ist und wird es keine Auflistung diverser sportlicher Meriten. Das interessiert mich nicht. Auf Lebewesen bezogen fehlt mir jeglicher "sportliche Ehrgeiz". Ein Trainingsschritt ist dann für mich persönlich - das ist nur meine eigene Meinung - erfolgreich, wenn ein unerwünschtes Verhalten so umgelenkt oder reduziert oder aber eliminiert wird, dass es kein Problem mehr darstellt.

 

Es geht los auf den folgenden Seiten.